Rüdigheimer Kirchenkonzerte

 

 

Seitdem die Orgel in der evangelischen Kirche in Rüdigheim (Neuberg) im Jahr 2017 restauriert wurde, verfügt der Ort mit der ehemaligen Johanniter-Kommende, der gotischen Kirche und der barock-klassischen Orgel über ein einmaliges Denkmalensemble, das unter anderem mit den Rüdigheimer Kirchenkonzerten einem interessierten Publikum von Nah und Fern geöffnet wird.

Foto: Peter Hensel
Foto: Harald Daneke

Die Orgel von Johann Georg Zinck ist in mehrerer Hinsicht ein opus ultimum:

  • sie ist das letzte Werk ihres Erbauers, der es im Alter von 73 Jahren vollendete,
  • und damit auch die letzte Orgel der Orgelbauerfamilie Zinck, die zwischen 1715 und 1789 den Landorgelbau in der Wetterau und im Kinzigtal prägend mitgestaltete.
  • Sie ist ferner die letzte vollendete Orgel der barock-klassischen Epoche im Hanauer Raum, bevor mit den Koalitionskriegen der Orgelbau auf dem Lande fast zum Erliegen kam und erst ab den 1840er Jahren unter völlig veränderten Vorzeichen wiedererstand.

Mit dreizehn Registern zählt das Instrument zu den größeren Landorgeln seiner Epoche in der Region. Nicht nur wegen seiner äußeren Gestalt, sondern auch wegen seines klanglichen Aufbaus kann es als Prototyp einer oberhessisch-hanauischen Landorgel der barock-klassischen Epoche gesehen werden. Eine geradezu sensationelle Besonderheit dieses Instruments ist der Violon 4‘, da dieser ganz in Holz gebaut ist. In Verbindung mit dem Violonbass 8‘ verleiht er der Orgel eine unverwechselbare Farbigkeit im Piano. Aber auch im Forte beeindruckt die Orgel mit einer enormen Farbenvielfalt, da die lückenlose Prinzipal-Aliquoten-Kette bis zum 1‘ praktisch alle Wünsche erfüllt und bei oktaviertem Spiel eine erstaunliche 16′-Gravität ermöglicht.
Das im 18. Jahrhundert für den oberhessisch-mainfränkischen Landorgelbau geltende Ideal, ohne den Einsatz von Zungenstimmen eine nuancen- und farbenreiche Vielfalt von zarten bishin zu kräftigen Klängen zu erreichen, wurde in Rüdigheim in vorbildlicher Weise verwirklicht.
Gleichzeitig ist das klanglich größtenteils rekonstruierte Instrument ein beeindruckendes Zeugnis dafür, zu welch hervorragenden künstlerischen Leistungen das Zusammenwirken von wissenschaftlicher Recherche und handwerklicher Erfahrung in der Orgeldenkmalpflege beitragen kann.

Orgel von Johann Georg Zinck (1789)
2017 restauriert durch die Orgelbauwerkstatt Förster & Nicolaus, Lich

Manual C-c“‘
Gedact 8′ (Holz)
Quintatön 8’ (Metall)
Principal 4′ (Prospekt)
Gedact 4′ (C-h° Holz; c‘-c‘‘‘ Metall)
Violon 4’ (Holz [sic])
Quint 3′ (Metall)
Octav 2′ (Metall)
Tertz 1 3/5′ (Metall
Superoctav 1‘ (Metall)
Mixtur 3fach 1’ (Metall)

Pedal C-c’
Subbass 16′ (Holz)
Principalbass 8′ (Holz)
Violonbass 8’ (Holz)

Koppel (eigene Ventile)
Winddruck: 57mmWs
a‘ bei 18°C: 440 Hz
Gleichschwebende Temperatur.
Diese ist bereits 1771 für J. G. Zinck belegt, denn im Orgelbauvertrag für Kilianstätten heißt es: „Eine im höchsten Grad gleiche Temperatur, nach welcher alle und jede Accorde diesser Orgel ohne Unterscheid und ohne das Ohr im geringsten zu beleidigen, gehört und gebraucht werden können.“)

Die Rüdigheimer Kirche hat mit ihrem hohen, romanisch-gotischen Kreuzrippengewölbe eine hervorragende Akustik, die sowohl Vokal- als auch Instrumentalmusik in kammermusikalischer Besetzung mit großer Klarheit, Wärme und Tiefe zur Geltung bringt. Eingebunden in das Ensemble von Kirchhof, Kommende und der Staatsdomäne Rüdigheimer Hof und leicht erhöht am Ortsrand gelegen bildet sie das ideale Ambiente für geistliche Konzerte.